Wolfram Pichler. Mein Nachruf.

Mein Freund Wolfram ist tot.

Er hat sich immer als Urgestein der Technischen Dokumentation bezeichnet. Und genau das war er: Alle Regeln aus der Urzeit der Technikdokumentation konnte er meisterhaft als Dienstleister und Seminarleiter anwenden. Texte, Bilder, Normen – das war sein Leben, auch als Sachverständiger auf diesem Gebiet und dienstältestes Mitglied im Richtlinienausschuss zur VDI 4500. 

Wir haben so manche Schlacht gemeinsam geschlagen, Betriebsanleitungen für namhafte Unternehmen verfasst oder überarbeitet, Seminare zur Fortbildung in Technischer Dokumentation und CE-Konformität gehalten. Der Umgang mit Wolfram war nicht immer einfach, das sehe ich rückblickend für mich aber auch als Bereicherung: Eine 5, die gerade gewesen wäre? Präzision, Prägnanz, und all die anderen Eigenschaften, die einen guten Technischen Redakteur auszeichnen, und die Wolfram einmal in seiner bekannten Liste zum Berufsbild zusammengefasst hatte, waren für ihn nie verhandelbar.

In den letzten Jahren ging es ihm nicht mehr so sehr um das Erstellen von Betriebsanleitungen, sondern eher um das Beraten in punkto Dokumentations-Prozesse. Dazu gehörte auch, dass er sich der Weiterbildung Technischer Redakteure widmete. Er wurde zum "Kristallisationspunkt der Fachdidaktik", wie es unser gemeinsamer Freund Rainer Bernd Voges formulierte. Für den WEKA-Verlag, auch für die tekom, hat er zahlreiche Fach-Beiträge verfasst, in seiner unbestechlichen aber auch kritischen Diskussionskultur. Die vielen Seminare, die er für TÜV, IHKs oder direkt in Unternehmen gestaltet hat, waren für die Teilnehmer nie Spaßveranstaltungen, sie waren harte Arbeit, denn es ging immer darum, wie man kompromisslos normgerechte, haftungsminimierte und zielgruppenbezogene Nutzungsinformationen erstellt. Neben der Richtlinie VDI 4500 lag ihm auch die 82079-1 am Herzen, er hat unermüdlich in den Gremien für sachgerechte Dokumentation gekämpft. 

Das war seine Berufung, sein Beitrag zum Ehrenamt. Ebenso wie sein Engagement nach der Wende im Osten Deutschlands, wo er einen Boden für Dokumentationskultur bereiten konnte, auch wenn der wirtschaftliche Erfolg ausblieb.

Wolfram war gut zehn Jahre älter als ich. So manche modischen Entwicklungen, die sich in der Community im Laufe der Jahre abzeichneten, haben wir bewusst nicht mitgemacht. Bewusst deshalb, weil sie weder dem Produkthersteller noch dem Nutzer geholfen hätten. Wolfram und ich haben zu dieser Zeit CommuConvoy gegründet, eine Plattform selbstständiger Technikredakteure, mit dem Ziel, sich auszutauschen und Trends von Moden zu unterscheiden. So irgendwie hatten Wolfram und ich uns auch kennengelernt, vor mehr als dreißig Jahren, im Arbeitskreis Selbstständige der tekom. Doch so genau konnten wir Anlass, Ort und Zeitpunkt unseres ersten Zusammentreffens nicht mehr rekonstruieren.

 

Auch wenn die gemeinsamen Projekte in den letzten Jahren weniger geworden waren, so blieben Wolfram und ich uns immer verbunden. Kein Berlin-Besuch ohne ein Zusammensitzen und fachliches Diskutieren, oder Besuche in einem Museum. Wolfram war auf allen Ebenen zuhause.

Wolfram und seine Lebensgefährtin, Claudia, haben das kulturelle Berlin immer genossen, als Ausgleich für harte Arbeit in der Dokumentation. Nach außen zu repräsentieren, seine Kompetenz als Ingenieur und Redakteur extrovertiert jedem zu zeigen, nein, das war nie das Ding für den bescheidenen Urberliner. Stattdessen hat Wolfram mit Leidenschaft seine Gefühle in Aquarelle umgesetzt. 

Es war ein langes Sterben bis zum 30. März. Mein Freund Wolfram ist tot. Unsere Szene hat einen der Besten verloren. 

 

Ulrich Thiele

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